Perspektive, Perspektiven

Als Mensch, der seit früher Jugend versucht, seinem Er-Leben dieser Welt mit der Kamera in der Hand Ausdruck zu geben, möchte ich als Einleitung zu diesem Blog einen Begriff als Dreh- und Angelpunkt in den Raum stellen, der für mich nicht nur phototechnisch von zentraler Bedeutung ist: Perspektive.

Perspektive ~ hier im gewohnten Fall der Zentralperspektive mit der Neigung zur Tunnelperspektive
Perspektive ~ hier im gewohnten Fall der Zentralperspektive mit der Neigung zur Tunnelperspektive

Die Perspektive hängt wesentlich vom Standpunkt ab, von dem aus wir auf ein Objekt schauen, das wir in einem Bild einfangen wollen. Je nach dem, von wo aus (mehr links, mehr rechts, oben, unten, oder gar von der anderen Seite) wir auf ein Objekt blicken, erhalten wir ein anderes Bild. Im Gegensatz dazu ändert ein Zoom hinein oder heraus nur den Bildausschnitt. Hineingezoomt sehen wir mehr Details, herausgezoomt haben wir mehr Überblick, aber wenn man davon absieht, daß Objekte aus dem Bild herausfallen können, ändert sich nichts an der Beziehung der Objekte eines Bildes zueinander. Will heißen, grundsätzlich neue Erkenntnisse, neue Relationen, können wir nur dann erfassen, wenn wir unseren Standpunkt, und damit die Perspektive variieren.

Photographie ist Kommunikation, mit Bildern.
Schreiben, Reden ist Kommunikation, mit Bildern. Nur die Werkzeuge sind andere. Wichtig ist meiner Meinung nach die Erkenntnis, daß wir in jeglicher Kommunikation mit Bildern zu tun haben, Bilder austauschen, um uns gegenseitig unsere persönlich erlebte Welt begreifbar zu machen. Die eine, einzige, unwandelbare Wahrheit ist eine Illusion, es gibt nur Bilder der Welt, betrachtet von verschiedenen Standpunkten, betrachtet aus unterschiedlichen Blickwinkeln.
Neugier auf die Bilder des Gegenübers, Offenheit und Toleranz sind eine Basis, um zu gegenseitigen Erkenntnisgewinn und Vergnügen Bilder auszutauschen. Und damit diese Welt reichhaltiger, bunter, und auch interessanter zu machen.

Auf der anderen Seite stehen die Menschen, die ihr Bild von Welt für die eine unbestreitbare Wahrheit halten, die sie gegen die von anderen Menschen vehement verteidigen zu müssen glauben. Ohne das Bewußtsein, daß man nur über Bilder, gesehen vom eigenen Standpunkt, aus der eigenen Perspektive, spricht, führt das dann in der Regel zu aggressiv geführten Diskussionen. Dabei spricht man nur über Facetten einer Wirklichkeit, die Mensch (sowohl als Individuum als auch als Menschheit) allenfalls erahnen kann.

Im Bewußtsein, daß die Welt von facettenreicher, schillernder Gestalt ist, kann man die Bilder, die einem von anderen Menschen übermittelt werden, erfassen und darauf hin überprüfen, ob sie mit der selbst beobachteten Welt übereinstimmen, ob sie neue Erkenntnisse bringen, Lücken füllen, eine erweiterte Sicht der Wahrheit sein könnten. Um dann, und erst dann zu entscheiden, ob das ein „genau, so ist das, so habe ich das vorher nie gesehen“, oder ein „so könnte man das auch sehen“, oder aber ein „nun denn, so sieht das also der eine oder andere“ ist. Ob man das in sein Bild der Welt einfügt, oder doch eher nicht. Und dann wenigstens die Erkenntnis mitnimmt, daß diese Welt für andere, von deren Standpunkt aus, doch ganz anders aussieht.

Auf einen, entscheidenden Punkt kommt es allerdings immer an: funktioniert dieses Bild, hilft es, die selbst erlebte Welt zu verstehen und mit ihr, in ihr zu leben? Nach Möglichkeit wenn nicht glücklich, zumindest zufrieden zu leben? Wenn ja, dann ist alles gut. Wenn nein, dann sollte man anfangen, sich Gedanken zu machen. Denn mit nichts kann man  sein eigenes Leben so sehr aus der Balance bringen, wie mit einem nicht oder schlecht funktionierenden Bild von Welt und dem eigenen Standpunkt in ihr.

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